Digitale Barrierefreiheit – die Zeit rennt uns davon

Digitale Barrierefreiheit war bereits zu Beginn des Internets ein Thema gewesen. In diesem Artikel möchte ich die Historie der digitalen Barrierefreiheit durchleuchten und die Frage im Raum stellen, warum wir 22 Jahre nach den ersten Standards zur barrierefreien Gestaltung von Internetseiten immer noch nicht ein barrierefreies Internet haben.

War das Internet zu Beginn barrierefreier als heute?

Die Wichtigkeit des Themas 'digitale Barrierefreiheit' wurde bereits früh von den Internetaktivisten erkannt. So war das Thema der digitalen Barrierefreiheit schon Ende der neunziger Jahre für Internetseiten ein Thema (WCAG 1.0) (World Wide Web Consortium, 1999)(Link öffnet neues Fenster).

Gefühlt war das Internet damals auch technologiebedingt viel barrierefreier. So waren die meisten Seiten eher statisches HTML, was für sich schon programmatisch gut auslesbar ist. Grafiken wurden schon wegen der langsamen Internetverbindung alle beschriftet, damit man einen Platzhalter für das Bild innerhalb der Ladezeiten hatte. Aufgrund des langsamen Internets wurden die Seiten weniger überfrachtet und JavaScript hatte seinen Siegeszug noch nicht angetreten (Link öffnet neues Fenster).

Warum hat sich das barrierefreie Internet nicht durchgesetzt?

Doch die Frage bleibt: "wieso hat sich das barrierefreie Internet nicht durchgesetzt, obwohl bereits sehr früh Standards zur Barrierefreiheit ausgearbeitet wurden?"

Meiner Meinung nach lag es an der mangelnden Notwendigkeit, die ich gerne an drei Punkten erklären möchte. Die Punkte im Überblick:

  • Die Basistechnologie
  • Die Personen die im Internet unterwegs waren
  • Und die Funktion des Internets.

HTML selbst ist barrierefrei

Zunächst war - wie bereits oben beschrieben - die damals verwendete Grundtechnologie selbst gut programmatisch auslesbar. Es wurde nicht mittels JavaScript div-Container zu Klickflächen erklärt, Links zu Schaltflächen umfunktioniert, Seitenbereiche regelmäßig nachgeladen, endlos Scrolling verwendet und es gab auch kein Bedarf nach flexiblen Seiten die auf verschiedenen Endgeräten (Mobil / Desktop) funktionieren mussten.

Kurz gesagt, alle Seiten waren gleich hässlich und darauf konnte man sich gut einstellen. Wenn die Grundtechnologie schon halbwegs barrierefrei ist, braucht man keine besonderen Anstrengungen, um barrierefreie Webseiten zu gestalten.

Nur Freaks unterwegs

In den Anfängen des Internets waren auch überwiegend die Freaks unterwegs. Diese Jungs und Mädels wussten genau wie die Technologie unter ihren Fingern funktioniert und konnten sich zu Not auch anderweitig helfen. Wir sehen den gleichen Effekt heute. Je besser das Wissen um die Funktions- und Bedienweise der assistiven Technologien sind und je größer das Verständnis wie Webseiten aufgebaut sind, desto mehr Informationen können die betroffenen Personen auch aus einer barrierebehafteten Seite rausziehen.

Das Internet brauchte kein Mensch

Beim Thema der digitalen Barrierefreiheit im Internet ging es damals (1999) nur um die Zugänglichmachung einer unwesentlichen Randaktivität des gesellschaftlichen Lebens.

Ich meine, hej, was hat man damals schon im Internet getrieben. Denke ich an meine Internetanfänge zurück, war da nur wenig sinnvolles dabei, wofür es sich gelohnt hätte die digitale Barrierefreiheit lautstark einzufordern.

Leben ohne Internet ist nicht mehr vorstellbar

Heute hingegen prägt die Digitalisierung fast jeden Aspekt des gesellschaftlichen Miteinanders. Ob wir Bankgeschäfte über das Internet abwickeln (Online-Banking) oder online einkaufen. Ob wir mit Freunden oder Arbeitskollegen kommunizieren oder unsere Steuererklärung beim Finanzamt abgeben. Ob wir uns an einer Universität einschreiben oder Informationen für eine wissenschaftliche Arbeit recherchieren, all das tun wir digital.

Soweit wir jetzt auch sein mögen, ein Blick in die Zukunft zeigt uns, dass auch das nur die Anfänge sind zu einer noch rasanteren Digitalisierung. Und genau darin liegt das Problem. das Internet hat sich so schnell in allen Bereichen des Lebens als festes Fundament etabliert, ohne dass die Masse der Menschen sich diesen Wandel bewusst wurden. Und gefühlt wird der Wandel immer schneller.

Denk man genauer darüber nach, ist es schon fast erschreckend. Wir haben im letzten Jahr eine Lockdown-Phase gehabt, womit die Menschen halbwegs noch gut klar kamen. Was würde aber passieren, wenn wir für 6 Wochen das Internet abschalten würden? Meine Vermutung - Chaos hoch 10!

Fazit - Die Zeit rennt uns davon

Seit Jahren sprechen wir in der Community über die digitale Barrierefreiheit. Doch gefühlt hat sich kaum etwas geändert. Noch immer gibt es außerhalb des Massenkonsummarkt des Internets (Google, Facebook, Amazon, Microsoft, ...), viel zu viele Anwendungen die so weit von der Barrierefreiheit entfernt sind, wie Politiker von der Wahrheit.

Neue Jobs entstehen in der Digitalwirtschaft, während die klassischen Jobs immer schneller verschwinden. Das Fundament der neuen Arbeiterklasse ist die Software und genau das müssen wir barrierefrei gestalten - jetzt bitte!

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