Barrierefreies Gendern – Warum die sprachliche Barrierefreiheit stärker bedroht ist, als angenommen.

Gendern und Barrierefreiheit: Häufig wird in Rahmen von Gendern mit Inklusion argumentiert. Jedoch werden die Probleme die durch das Gendern für viele Menschen entstehen nicht thematisiert. Darum soll in Rahmen dieses Beitrags der Diskussionsraum auf die unsichtbaren - teils schädlichen - Aspekte der geschlechtergerechten Sprache ausgeweitet werden. Denn Geschlechtersensibelität darf nicht zum Diskrimierungsfaktor anderer Menschen werden.

Gendern: Was ist das überhaupt?

Mit Gendern wird das geschlechtergerechte Kommunizieren bezeichnet. Ziel ist es, sprachlich die Vielfalt und die Gleichbehandlung der Geschlechter abzubilden. Hierbei ist die Grundlage des Genderns ein Weltbild, welches von mehr als den zwei typischen Geschlechter (männlich / weiblich) ausgeht. Zudem wird zwischen körperlichem Geschlecht und dem psychischsozialem Geschlecht unterschieden (Geschlechtergerechte Sprache - Wikipedia (Link öffnet neues Fenster)).

Welche Ziele werden mit dem Gendern verfolgt?

Es werden Überwiegend drei Argumente für das Gendern aufgeführt. Diese werden jeweils von mir mit einem Schlagwort beschrieben, um später darauf zu Referenzieren:

  1. Aspekt der Gleichberechtigung: Alle Geschlechter sollen in der Sprache berücksichtigt werden.
  2. Aspekt der Erziehung: Menschen sollen durch Sprache dazu konditioniert werden, bei Berufsbezeichnungen nicht direkt einseitige - mentale - Rollenbilder zu erzeugen (z. B. Krankenschwester, Lehrer).
  3. Aspekt der Haltung / Wertschätzung: Autoren nehmen durch das Gendern eine Haltung des Zuspruchs- / der Wertschätzung gegenüber aller Geschlechter ein.

An sich alles sehr gute Ziele, doch wo ist das Problem?

Barrierefreies Gendern - Wo ist das Problem?

Bei Personen und Berufsbezeichnungen verwenden wir im Deutschen meist das kürzere generische Maskulinum (z. B. Lehrer/ Erzieher). Um die Vielfalt der Geschlechter in der Kommunikation zu verankern, wird eine Anpassung wie wir schreiben und sprechen erforderlich. Diese Anpassung führt zu Verwendung von Sonderzeichen und Anhängseln (z. B. *innen) in der Schriftform und zu Sprechpausen im der mündlichen Kommunikation, sowie teilweise zu wilden Satzkonstruktionen, wenn innerhalb der Sätze auf Personen / Berufsgruppen referenziert wird (Lehrer*innen / er * sie, jede*r, ein*e).

Diese "Anhängseln", welches weniger der Informationsvermittlung und mehr der Gleichberechtigung, Rekonditionierung und der Wertschätzung dient, erschwert das Textverständnis für viele Teile der Gesellschaft. Darum ist es dringend angebracht, über die Barrierefreiheit beim Gendern (barrierefreies Gendern) zu sprechen. Und hierbei reicht es nicht aus, lediglich die Screenreaderperspektive (Screenreader sind Vorleseprogramme für blinde Menschen) einzunehmen, wie es häufig getan wird (z. B. in der Studie von der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik "Empfehlung zu gendergerechter, digital barrierefreier Sprache - eine repräsentative Studie" (link öffnet neues Fenster)

Gendern benachteiligt viele Menschen

Viele Nachteile entstehen durch das Gendern und führen zur Benachteiligung zahlreicher Menschen. Übersichtlich in der nachfolgenden Liste werden die benachteiligten Personenkreise aufgeführt. Im restlichen Abschnitt werden dann die Ursachen der Benachteiligung erklärt.

  • Menschen mit geringer Literalität
  • Menschen mit geringen Deutschkenntnissen
  • Kognitivschwache Menschen
  • Gehörlose Menschen
  • Sehbehinderte Menschen
  • blinde Menschen
  • Stotterer

Gendern erschwert das Textverständnis

Auch wenn viele Studien versuchen die Auswirkungen des Genderns auf die Verständlichkeit des Textes zu widerlegen, ist dies kaum vorstellbar (siehe Linguistik meldet sich in der Debatte über geschlechtergerechte Sprache zu Wort (Link öffnet neues Fenster)).

Häufig wird das Gendern lediglich mit dem setzen eines Anhängsels (*innen) gleichgesetzt. Jedoch ist beim korrektem Gendern wie aus dem nachstehenden Beispiel ersichtlich noch einiges mehr zu beachten.

Beispiel Gendergerechter Text: Wir suchen eine*N, motivierte*n Pizzabäcker*In, der*die unsere vegetarische*n Kund*Innen beratend zwischen 9 bis 18:00 Uhr zur Verfügung steht. Er* Sie sollte mindestens 3 Jahre Berufserfahrung als Ernährungsberater*in mitbringen und kund*innenfreundlich auftreten.

generisches Maskulinum : Wir suchen einen (M/W/D), motivierten Pizzabäcker, der unsere vegetarischen Kunden beratend zwischen 9 bis 18:00 Uhr zur Verfügung steht. Er sollte mindestens 3 Jahre Berufserfahrung als Ernährungsberater mitbringen und kundenfreundlich auftreten.

Bereits bei einem sehr kurzen Abschnitt (nur 2 Sätze + Nebensatz) wird die Komplexität des Genderns offensichtlich. Blinde Menschen die eine Sprachausgabe nutzen, hören insgesamt 9 Mal in 2 Sätze "Stern" (*)! Dies erschwert das Lesen solcher Texte massiv.

Zudem stellen solche Texte eine große Herausforderung für Menschen dar, die generell Schwierigkeiten mit dem Lesen haben. In Deutschland lebten im Jahr 2018 rund 6,2 Millionen Menschen mit einer geringen Literalität. Eine geringe Literalität führt dazu, "dass eine Person allenfalls bis zur Ebene einfacher Sätze lesen und schreiben kann." (vgl. LEO 2018 - Leben mit geringer Literalität (Link öffnet neues Fenster))

Gendern stört den Lesefluss

Unsere Grammatik ist in seiner Urform nicht auf Vielgeschlechtigkeit innerhalb eines Satzes ausgelegt. Um trotzdem eine Vielzahl von Geschlechtern anzusprechen, wird es erforderlich, Satzkonstruktionen zu wählen, die den Lesefluss massiv stören. Am meisten leiden die Menschen darunter, die bereits Probleme mit dem Lesen, Schreiben und Sprechen haben.

Die Auswirkungen des Genderns auf Screenreadernutzer wurde bereits im vorhergehenden Abschnitt aufgezeigt. Für sehbehinderte Menschen die eine Mehrfachvergrößerung nutzen, stellt die Zunahme der Sonderzeichen (*), die Anhängsel (innen) und die Dopplungen (er * sie) eine Herausforderung dar. Je stärker die Bildschirminhalte vergrößert werden, desto weniger Zeichen werden im Blickfeld des Lesenden eingeblendet. Je mehr für die Informationsvermittlung "unnötige Zeichen" verwendet werden, desto langsamer ist das lesen.

Gendern erschwert die Kommunikation

Mit einem subtilen Druck zum Gendern bauen wir für das Schreiben und Sprechen neue Barrieren auf. Erfolgsentscheidend für viele Berufe, für die Teilnahme am gesellschaftlichem Leben und zur Einflussnahme auf gesellschaftliche Entwicklungen sind wir auf die Sprache angewiesen. Je besser und selbstbewusster wir kommunizieren, desto mehr können wir erreichen. Bereits heute sind die kommunikative Teilnahme vieler Menschen stark eingeschränkt.

Die Einschränkungen selbst entstehen aufgrund von Hör- und Sprachbehinderungen (Taubheit / Schwerhörigkeit / Stottern), aufgrund der kognitiven Fähigkeiten (z. B. Autismus), aufgrund von sprachlichen Kompetenzen (nicht Muttersprachler, Sprachanfänger) und auch aufgrund des niedrigen kommunikativen Wohlbefindens (introvertierte Menschen).

All diese Menschen haben es bereits heute schwer sich mit eigene Beiträge kommunikativ in Diskussionen einzubringen. Wenn wir das Gendern als "gewünschten Standard" etablieren, erschweren wir die Kommunikation bereits heute benachteiligter Menschen. Selbst wenn das gendern nicht verpflichtend ist und noch nicht polizeilich geahndet wird, setzt der "Sprachstandard" der Vielkommunizierer einen sprachlichen Rahmen (Maßstab) für alle anderen. Insbesondere dann, wenn es staatlich für Behörden, Schulen und Medien vorgeschrieben wird.

Internationales Gendern erschwert die grenzübergreifende Kommunikation

In der vernetzten und immer digitaleren Welt ist es so, dass Meetings, Präsentationen und Sprachbeiträge häufig über verschiedene Sprachen hinweg geschehen. Die meisten Sprecher sind wortgewandt in ihrer eigenen Muttersprache, haben aber weniger Wortschatz, wenn Sie in einer Fremdsprache sich ausdrücken müssen. Durch den sprachlichen Standard entstehen Unsicherheiten bezüglich des Genderns in Fremdsprachen.

Fazit

Wie in diesem Artikel aufgezeigt, bringt das Gendern viele Herausforderungen mit sich. Es ist keinesfalls so, dass Menschen die kritisch sich mit dem Gendern beschäftigen, gegen "Gleichberechtigung" und "Wertschätzung" im gesellschaftlichen Umgang miteinander sind. Es ist nur so, dass wir eine faire Diskussionsgrundlage benötigen. Es darf nicht sein, dass beruflich bezahlte Vielkommunizierer den moralischen Zeigefinger heben und einen Standard durchsetzen möchten, der viele Menschen benachteiligt, nur um eine Ideologie durchzusetzen.

Interessanterweise nimmt die Akzeptanz des Genderns ab, je aggressiver die Politik versucht das Gendern durchzusetzen. Nach einer Umfrage von Infratest (Link öffnet neues Fenster) lehnen zwei Drittel der Wahlberechtigten (65 Prozent); das Gendern in Medien und Öffentlichkeit ab. Diese Zahl ist zum Vorjahr sogar um 9 % gestiegen.

Aufgrund der Wichtigkeit des Themas ist es so wichtig, selbst als Autor sich mit der Thematik zu beschäftigen und bewusst sich für ein Schreibstil zu entscheiden, welches in der Gesamtheit für alle Leser akzeptabel ist. Darum schauen wir uns im zweiten Teil dieses Beitrags die Techniken des barrierefreien Genderns an.

Nur wenn wir diskutieren, verstehen wir die anderen. Mich interessiert sehr Ihre Meinung zum Gendern. Wird Ihrer Meinung nach in Deutschland zu viel / zu wenig gegendert? Haben Sie eine Idee wie wir inklusiv und ohne Nachteile für andere Menschen gendern können? Ich freue mich auf Ihre Meinung.

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2 Kommentare

  1. Schade, dass sie sich als Ausländer gegen das Gendern aussprechen. Das Argument mit der Barrierefreiheit scheint mir da vorgeschoben.

    1. Sehr geehrte Helga Dietl,

      vielen Dank für Ihr Kommentar.

      Mir ist es wichtig, dass jeder seine Meinung auf dieser Plattform ausdrücken kann, darum bitte ich zunächst die verzögerte Freischaltung Ihres Kommentars und damit zusammenhängend meine Antwort zu entschuldigen. Ihr Kommentar war ausversehen als Spam klassifiziert worden.

      Ehrlich gesagt ist es sehr schwer auf Ihren Kommentar sachlich zu antworten, da Sie in zwei Sätze (länger ist Ihr Kommentar nicht) zwei Vorwürfe mir machen, ohne diese zu begründen.

      Satz 1 – Moralischer Vorwurf: „Schade, dass sie sich als Ausländer gegen das Gendern aussprechen.“

      Ich weiß nicht, was die Herkunft eines Menschen zur Debatte über das Gendern beitragen soll.

      Satz 2 – Sie unterstellen mir, die Barrierefreiheit als vorgeschobenen Grund gegen das Gendern zu verwenden: „Das Argument mit der Barrierefreiheit scheint mir da vorgeschoben.“

      Ich habe in über 10 A4-Seiten das Gendern aus verschiedenen Perspektiven durchleuchtet und versucht aufzuzeigen, wodurch die Barrieren entstehen. Die ganze Webseite dreht sich um das Thema der Barrierefreiheit. Jetzt den Vorwurf zu machen, dass Barrierefreiheit ein vorgeschobener Grund sein soll, halte ich – freundlich ausgedrückt – für nicht tragbar.

      Ihnen weiterhin alles Gute.

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